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Von Bertulfs Taufe und Herrn Welches Ergriffenheit

Nina GrossAngela Pfenninger (rechts) führte als Protestantin Friederike Zimmerschitt durch den Dom in der Zeit der französischen BesatzungAngela Pfenninger (rechts) führte als Protestantin Friederike Zimmerschitt durch den Dom in der Zeit der französischen Besatzung

Zum Tag des offenen Denkmals öffnete der Alte Dom St. Johannis in Mainz am vergangenen Sonntag (10. September) seine Pforten. Vier historische „Zeitzeugen“ luden ein zu einem ebenso kurzweiligen wie unterhaltsamen Rundgang durch die Gemäuer der ältesten Kirche der Stadt. Vermittelt wurde Wissen zu Geschichte und Geschehen im Dom der letzten 1500 Jahre.

Bildergalerie

Godehard (Kristian Körver, im grünen Gewand) übernimmt die Besuchergruppe von Bertulf (Ullrich Brand, links). Blick mit Ullrich Brand (2. v. r.) in das alte Taufbecken aus dem 6. Jahrhundert am Westeingang des Doms. Godehard (Kristian Körver, Mitte) berichtet im Alten Dom St. Johannis eindrucksvoll von der Königskrönung im Jahr 1024. Herr Welches berichtet von der ersten ev. Gemeinde in Mainz Angela Pfenninger (rechts) als Protestantin Friederike Zimmerschitt

Mainz/N. Gross – Am Westeingang des Alten Dom St. Johannis wartete schon Bertulf, ein frisch getaufter Franke aus dem 6. Jahrhundert. Im Gewand einer grauen Tunika, mit einem nur durch eine Bügelfibel gehaltenen rot-weißen Rechteckmantel und in genähten braunen Schuhen war Ullrich Brand bereit, eine Gruppe geschichtsinteressierter Menschen als Bertulf direkt ins frühe Mittelalter zu führen. Brand bildete den Auftakt für die Führung durch den Alten Dom und begleitete die Besucherinnen und Besucher zum alten Taufbecken. Er berichtete von der zwei- bis dreijährigen Vorbereitungszeit des Franken auf den Gang ins Taufhaus in Mainz und schließlich von der Taufe selbst, bei der Bertulf drei Mal vollständig untergetaucht und so zum Christen wurde.

Von der Königskrönung bis in die Franzosenzeit

Mit dem Gang zum heutigen Altar des Alten Doms vollzog die Besuchergruppe einen großen Zeitsprung vom frühen Mittelalter direkt ins Jahr 1024. Es wartete der Diakon und Kleriker Godehard in einem weiten, grünen Oberkleid mit zwei aufgestickten rot-weißen Streifen auf sie. Im historischen Gewand steckte der Stadtkirchenpfarrer Kristian Körver, der einiges von der Königskrönung Konrads II. zu berichten wusste. Die Menschen lauschten andächtig, als er in authentischer und lebendiger Art die Salbung, die Krönung und die Inthronisation des „Rex nostra“, „unseres Königs“, wie Körver sagte, beschrieb. 

Vom Diakon Godehard ging es weiter zur Protestantin Friederike Zimmerschitt (Angela Pfenninger), einer Witwe eines Obristen bei der französischen Armee im katholischen Mainz 1802. In einer langen, schwarzen Robe erzählte sie den Interessierten schauspielerisch eindrucksvoll von den Zeiten, als der Alte Dom nicht mehr als Stiftskirche, sondern als Militärdepot genutzt wurde. Die Führung endete schließlich bei dem Drogisten August Welches, der ergriffen davon berichtete, wie die Mauern des Alten Dom vor 200 Jahren der evangelischen Glaubensgemeinde im katholischen Mainz endlich eine Heimat boten.

Facing the Past

Das Programm zum Tag des offenen Denkmals mit dem Titel „Von Bertulfs Taufe und Herrn Welches Ergriffenheit“ entstand in diesem Jahr erstmals in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen „Facing the Past – Living History“. Die erfahrene dreiköpfige Gruppe mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Hintergründen, gegründet 2001, startete mit museumspädagogischen Angeboten etwa im Landesmuseum Karlsruhe. Heute hat sie sich darauf spezialisiert, in zeitgemäßer Art Geschichte „zum Anfassen“ zu vermitteln. „Wir tragen keine historischen Kostüme, sondern historische Kleidung“, betonte Ullrich Brand. Die Arbeit von „Facing the Past“ sei immer der Versuch einer möglichst genauen Annäherung auf wissenschaftlicher Basis, an das, was damals wirklich geschehen ist. Er trete in seiner Rolle als Bertulf auf als „lebende Vitrine“ und wies noch einmal darauf hin, dass die Rekonstruktion damaliger Ereignisse nie unproblematisch sei. Bertulf etwa habe eigentlich einen altfränkischen Dialekt gesprochen, der heute nicht mehr verstanden werden könne. 

Der Tag des offenen Denkmals

Der Tag des offenen Denkmals feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen und wird alljährlich sowie bundesweit von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz koordiniert. Er will aufmerksam machen auf die Denkmalpflege und lädt mit einem Blick hinter die Kulissen dazu ein, mehr über die Geschichte deutscher Denkmäler zu erfahren.

Gemeindefest 

Allerdings zogen nicht nur die Führungen durch die historischen Zeitzeugen zahlreiche Besucherinnen und Besucher an: Das traditionell an diesem Tag stattfindende Gemeindefest der St. Johannisgemeinde lud rund um die Kirche ein zu Speis und Trank sowie einem geselligen Austausch mit den Gemeindemitgliedern. Ein Gottesdienst am Vormittag und ein Mitsing-Konzert der Johanniskantorei am späten Nachmittag rundeten das Programm zu einer gelungenen Veranstaltung ab.

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