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„Den Archäologen über die Schulter geschaut“

© gerhard.fleischer - augenmass@me.com/Stephan Dinges

Zum Abschluss der Webdoku Alter Dom erzählen ihre Macherinnen von journalistischen Glücksmomenten, leidenschaftlichem Erzählen und Zukunftswünschen.

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Mainz/Niemeyer - „Es sollte eine Fussbodenheizung werden…und dann war es eine archäologische Sensation!“ – steht auf dem Bildschirm in weißer Schrift und langsam fliegt dazu die Kamera durchs Kirchenschiff über die zerklüftete Grabungslandschaft des Alten Doms. Ganz nah dran ist der Betrachter der Webdoku Alter Dom. Vertrauensvoll erzählen die Archäologen von ihren ersten Vermutungen und sich festigenden Einsichten. Erklären geduldig jeden Fund und jede Mauerritze und was diese bedeuten für die Geschichte der alten Kathedrale. Sieben Jahre lang begleiteten Susanne Stenner und Antje Bollmann die Ausgrabungen und brachten die Menschen hinter dem Bauzaun zum Reden.

Die Macherinnen

Susanne Stenner bezeichnet sich selbst als Grenzgängerin zwischen Film und digitaler Welt. Die Ur-Mainzerin lebt und arbeitet im Schatten des Doms, seit 14 Jahren pendelt sie zwischen ihren Büros in Mainz und Hamburg. Sie ist Regisseurin, Filmemacherin, Produzentin, hat lange fürs ZDF gearbeitet, machte sich 2000 selbständig und kennt sich aus mit dieser digitalen Mischform, der Webdoku, die sie mit Antje Bollmann für den Alten Dom erstellt hat. Antje Bollmann, freischaffende Fernsehjournalistin, Regisseurin und Redakteurin aus dem Rhein-Main-Gebiet, macht Fernseh-Beiträge, Reportagen, Dokumentationen und Imagefilme. Gemeinsam haben sie das journalistische Konzept zur Webdoku entwickelt. Stenner organisiert das Projekt im Hintergrund als Produzentin, kümmert sich um rechtliche und finanzielle Belange, kommuniziert mit allen Beteiligten und verknüpft das Team. Die andere entwickelt als Regisseurin und Autorin Filme und Texte, recherchiert Themen, führt die Dreharbeiten und besorgt das Contentmanagement der Webdoku. Beide haben Erfahrung darin, komplexes Wissen einfach zu erzählen.

Wie alles anfing

Deshalb kommt 2017 der Kontakt zustande. Vom Freundeskreis Alter Dom wird Susanne Stenner für einen Imagefilm angefragt. Dazu kommt es nicht, denn sie hat eine bessere Idee. Im Gespräch mit dem damaligen Stadtkirchenpfarrer Gregor Ziorkewicz entwickelt sich der Wunsch, die Gemeinde und die Mainzer Öffentlichkeit mitzunehmen hinter den Bauzaun. „Es war klar, dass die Kirche lange Zeit nicht zugänglich sein würde und wir wollten Menschen teilhaben lassen an dem, was hier passiert. Dafür ist eine Webdoku ideal“, erklärt Stenner.

Was ist eine Webdoku?

Was ist das überhaupt, eine Webdoku? „Reportagen erzählen immer nur den Zustand bis jetzt“, sagt Antje Bollmann, „wir wollten aber ein journalistisches Format erschaffen, das schnell reagiert, das die Grabungen in Echtzeit begleiten kann und offen für weitere Entwicklungen ist.“ Eine Webdoku ist eine Internetseite, die ständig aktualisiert werden kann und verschiedene Formate gleichzeitig zur Verfügung stellt, Fotos, Texte und Videos. Die Webdoku des Alten Doms ist entlang eines Zeitstrahls aufgebaut. So können Besucher zum einen zurück in die Geschichte lesen, sich über Grabungsergebnisse und die Baugeschichte informieren. Zum anderen können Sie aber auch die gesamte archäologische Ausgrabung selbst nachvollziehen und sich immer wieder über aktuelle Entwicklungen informieren.

Blick über die Schulter

„Den Menschen, die dort arbeiten, über die Schulter schauen“, beschreibt Susanne Stenner ihre Absicht. So findet man dort Videos, die den Weg eines Fundstücks genauso nachverfolgen, wie die zahlreichen Mitarbeiter des Projekts vorstellen und die Meilensteine der Grabung nacherleben lassen. „Wir stellen so ganz unterschiedliche Perspektiven auf das Projekt vor“, sagt Antje Bollmann. Überhaupt sei die Idee, das Projekt Alter Dom „am Menschen entlang zu erzählen“, der beste Weg gewesen, um die Zuschauer und Besucher mitzunehmen. Immer wieder betonen Stenner und Bollmann, wie wichtig ihnen eine Vermittlung und Bewahrung von Wissen sei, die nachhaltig und zugänglich, dabei aber nie oberflächlich ist. Das ist ihnen gelungen. „Die Frage war ja, wie vermitteln wir eine komplexe Wissenschaft wie die Archäologie? Und die Antwort war immer: durch die Leute, die mit Leidenschaft dabei sind und mitreißend von ihrer Arbeit reden“, erklärt Antje Bollmann. Schließlich war auch für die erfahrenen Archäologen diese Ausgrabung eine ganz besondere. In den Filmbeiträgen wird das deutlich.

Journalistische Glücksmomente

Regelmäßig besuchte das Kamerateam den Alten Dom, ließ sich die neuesten Funde erklären und konnte manchmal, ganz unverhofft, live bei der Entdeckung wichtiger Fundstücke dabei sein. „Einmal standen wir oben auf dem Gerüst, ganz dicht gedrängt, um ein Interview mit Guido Faccani aufzunehmen“, erinnert sich Bollmann an so einen journalistischen Glückmoment. „Da schweifte der Blick des Grabungsleiters über die Wand hoch oben und entdeckte ein Stück Holz, das für die Datierung der Wand der entscheidende Hinweis werden sollte.“ In der Webdoku ist dieser Moment für die Nachwelt festgehalten.

Ein außergewöhnliches Projekt geht zu Ende

Nun gehen die Ausgrabungen dem Ende zu und damit wird auch die Webdoku abgeschlossen. Welche Erinnerungen nehmen die Filmemacherinnen mit aus sieben Jahren Arbeit am Alten Dom? „Ich bin zunächst dankbar für die vielen privaten Spender*innen des Freundeskreises Alter Dom, die dieses tolle Projekt finanziert und möglich gemacht haben“, sagt Susanne Stenner. Und dann sind es zwei Dinge, die sie betont. Zum einen die gute Zusammenarbeit und Vertrautheit im Team, zu dem neben Antje Bollmann auch der Fotograf und Kameramann Gerd Fleischer, der archäologische Leiter Dr. Guido Faccani mit seinem Team und Manuel Rota von der Hamburger Agentur Brandpfeil gehören. Für alle war die Webdoku eine Herzensangelegenheit. Zum anderen sind es ganz private Momente im Alten Dom, in denen sie die Verbindung mit der Vergangenheit spüren und sich als Mainzerin selbst in der Geschichte der Stadt ihrer Vorfahren verorten konnte.

Besondere Momente

„Ich funktioniere wie mein Publikum“, sagt Antje Bollmann auf die Frage nach den besonderen Momenten des Projekts, „mich haben diese begeisterten, detailreichen und leidenschaftlichen Gespräche mit Guido Faccani mitgerissen.“ Einen besonderen Moment heben beide hervor: Das Mitfiebern inmitten des Medienrummels beim Öffnen des Sarkophags, die sorgenvollen Gedanken der Archäologen davor und das Detektivpuzzle in den Monaten danach. „Auch ich habe damals nur Brösel gesehen“, gesteht Antje Bollmann. „Was die Wissenschaftler daraus erkennen konnten in kleinteiligster Arbeit und Analyse, die vielen wissenschaftlichen Erkenntnisse und geschichtlichen Hintergründe, die sie uns Monate später vorstellen konnten, das war faszinierend.“

Zukunftswünsche

Die Webdoku bleibt. Sie dokumentiert die Geschichten der Ausgrabung, die selbst nun Teil der Geschichte des Alten Doms sind. „Es war viel Arbeit und es war nicht immer leicht, aber es war für mich ein ganz besonderes Projekt innerhalb meiner journalistischen Laufbahn. Über sieben Jahre an einem Thema so intensiv mit denselben Protagonisten zusammenzuarbeiten und eine solch großartige Entwicklung zu begleiten, das ist in meinem Beruf ganz selten“, sagt Antje Bollmann und betont, wie sehr es sie freut, wenn die Webdoku auch zukünftig von vielen Menschen genutzt wird. Die Filme kann man nämlich nicht nur zuhause, sondern per QR Code auf den Schautafeln beim Besuch auch vor Ort anschauen. So wird die Grabungslandschaft im Alten Dom noch einmal ganz anders lebendig.


Welche Wünsche für die Zukunft haben sie? „Wir würden gerne mit dem vielen Filmmaterial noch einen Dokumentarfilm machen, der alles zusammenfasst“, sagt Stenner. Antje Bollmann ergänzt: „Für diese tolle Kirche wünsche ich mir, dass die Grabungen sichtbar bleiben und dass sowohl ein Ausstellungs- als auch ein Gottesdienstraum entsteht“ – ein echter Begegnungsort, der seine Geschichte nicht vergisst.


Die Webdoku können Sie unter dem Link auf der Startseite oder direkt unter www.mainz-alter-dom.de anschauen. Im Alten Dom können einzelne Videos per QR Code auf den Schautafeln abgerufen werden. Sie wurde von Stennerfilm umgesetzt mit freundlicher Unterstützung des Freundeskreises Alter Dom.


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