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"Wir brauchen Ihre Gesellschaft heute wie damals"

H. WiegersDer Geschäftsführer der Ökumenischen Flüchtlingshilfe, Pfarrer i. R. Peter Oldenbruch (2.v.l.), und der Verwaltungsratsvorsitzende der Flüchtlingshilfe, Jan Holub, mit der afghanischen Flüchtlingsfamilie Nazari, die aus Worms zur Jubiläumsfeier gekommen war.

Mit einer mitreißenden Rede begeisterte Pfarrer Andreas Lipsch seine ZuhörerInnen bei der Jubiläumsveranstaltung der Ökumenischen Flüchtlingshilfe. Er forderte, dass die Zusage der "Free Choice", die die EU den Flüchtlingen aus der Ukraine gemacht hat, als "Blaupause" auf die Migrationspolitik der EU angewendet werden soll.

H. WiegersSehr aufmerksam verfolgten die Besucherinnen und Besucher der Jubiläumsfeier den Ausführungen von Festredner Andreas Lipsch.

Die besten Argumente dafür, dass die Arbeit der Ökumenischen Flüchtlingshilfe gGmbh seit 30 Jahren einen wichtigen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen in Rheinhessen leistet, saßen im Publikum: Familien aus Afghanistan und der Türkei, denen das Leben in den von der gemeinnützigen Gesellschaft angekauften Wohnungen Sicherheit gegeben hat und noch gibt. Sie waren aus Worms und Bingen nach Mainz ins Zentrum für Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN gekommen waren, quasi als Beleg für die sinnvolle Arbeit, die die Flüchtlingshilfe in den letzten drei Jahrzehnten geleistet hat.

Im Publikum der kleinen Jubiläumsfeier befanden sich die Präses der EKHN, Dr. Birgit Pfeiffer, und viele Gesellschafterinnen der gGmbh, darunter drei evangelische Dekanate. Der Vorsitzende des Verwaltungsrates, Jan Holub, begrüßte mit der provokanten Frage: "30 Jahre Flüchtlingshilfe ist das ein Grund zu feiern?", die er gleich selbst beantwortete: "Eigentlich wäre es ein Grund zu feiern, wenn die Flüchtlingshilfe in dieser Zeit überflüssig geworden wäre, aber das ist sie ganz und gar nicht."

Geleitet von der Idee, dass die Aufnahme von Fremden und der Einsatz für Menschen in Not zu den ureigensten Aufgaben der Kirche gehört, wurde die Ökumenischen Flüchtlingshilfe 1992 gegründet – zu einem Zeitpunkt als die osteuropäischen Staaten Jugoslawien und Rumänien zusammengebrochen waren und die Zahl der Asylanträge in Deutschland den Rekordwert von fast einer halben Million erreichte. Mittlerweile hat die gemeinnützige Organisation dank der Einlagen ihrer Gesellschafter, Flüchtlingen nicht nur beratend zur Seite gestanden, ihnen Sprachkurse ermöglicht, sondern auch in vier rheinhessischen Städten acht Wohnungen kaufen können, um diesen Menschen in Not, wie es das Motto der Gesellschaft verspricht, mit Wohnraum zu einer erschwinglichen Miete "Boden unter den Füßen" zu geben.

Der Mainzer Pfarrer Friedrich Vetter, heute im Ruhestand, aber immer noch im Verwaltungsrat der Ökumenischen Flüchtlingshilfe engagiert und beim Jubiläumsfest anwesend, gehörte zum Gründungsteam. Ihm, aber auch dem derzeitigen Geschäftsführer der Flüchtlingshilfe, Pfarrer i. R. Peter Oldenbruch, dankte der Verwaltungsratsvorsitzende Holub ganz besonders für ihren Einsatz. Und der rheinland-pfälzische Migrationsbeauftragte, Miguel Vicente, bestätigte der Ökumenischen Flüchtlingshilfe, dass sie eine der ersten Hilfsorganisationen in Rheinland-Pfalz mit einem ganz konkreten und wichtigen Engagement in der Flüchtlingshilfe war. Vicente appellierte: "Wir brauchen Sie und Ihre Gesellschaft heute genauso dringend wie damals. Geben Sie den Mut nicht auf, denn wenn wir die Flüchtlingssituation und insbesondere die Wohnungssituation von heute mir der der 1990er Jahre vergleichen, hat sich das alles andere als verbessert."

Die Festrede des Abends, der von den rasanten Balkan-Jazz der Musikgruppe Absinto Orkestra musikalisch aufgelockert wurde, war Pfarrer Andreas Lipsch, Leiter der Abteilung Flucht, Interkulturelle Arbeit, Migration der Diakonie Hessen und Vorsitzender des Fördervereins Pro Asyl. Lipsch, der auch interkultureller Beauftragter der EKHN ist, lenkte den Blick seiner Zuhörerinnen und Zuhörer auf die „dunklen Orte“ an den Außengrenzen der Europäischen Union, an denen der Tod von Flüchtlingen bewusst in Kauf genommen werde. Und er forderte angesichts der Tatsache, dass die EU am 3. März 2022 den Flüchtlingen aus der Ukraine nicht nur die Wahl ihres Zufluchtslandes freigestellt, sondern ihnen auch bis auf weiteres Aufenthaltssicherheit gewährt hat, dass diese Zusage der "Free Choice" als "Blaupause" auf die gesamte Migrationspolitik der EU angewendet werden soll. Am Ende skizzierte Lipsch eine biblisch-philosophische Perspektive: Die kosmopolitische Leitidee eines „Gastrechts für alle“. Diese Idee orientiert sich an Psalm 119 „Ich bin ein Gast auf Erden.“ Und sie greift auf Kant zurück. Niemand besitzt die Erde. Niemand hat mehr als ein „Gastrecht auf Erden.“ Das Festpublikum würdigte Lipschs Idee mit langem Applaus.

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